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VDE 0100 vs. VDE 0701/0702 – Wo liegt der Unterschied?

Ein Hinweis an alle Betreiber elektrischer Anlagen und Geräte: Die Einhaltung technischer Normen ist ein zentrales Element für die elektrische Sicherheit im Unternehmen. Doch gerade im Zusammenhang mit Prüfpflichten sorgen die Normen VDE 0100 und VDE 0701/0702 oft für Verwirrung. Dieser Beitrag erläutert klar und verständlich die Unterschiede – und zeigt, wann welche Norm Anwendung findet.

1. Einleitung: Normen als Sicherheitsbasis

Die Vorschriftenreihe des Verbands der Elektrotechnik (VDE) bildet das technische Rückgrat der elektrischen Sicherheit in Deutschland. Sie definiert Standards für Planung, Installation, Betrieb und Prüfung elektrischer Anlagen und Betriebsmittel.

Zwei Normen stehen im Zentrum vieler betrieblicher Prüfungen:

Obwohl beide mit elektrischer Sicherheit zu tun haben, unterscheiden sie sich grundlegend im Anwendungsbereich, in den Prüfmethoden und in der Zielsetzung.

2. Was regelt die VDE 0100 (insb. Teil 600)?

Die Normenreihe VDE 0100 behandelt die Errichtung von Niederspannungsanlagen. Besonders relevant ist hier:

  • DIN VDE 0100-600: Prüfung elektrischer Anlagen vor der ersten Inbetriebnahme

  • Sie schreibt vor, dass ortsfeste Installationen erst nach erfolgreicher Prüfung ans Netz genommen werden dürfen.

Typische Anwendungsbereiche:

  • Gebäudeinstallationen (z. B. Steckdosen, Beleuchtung, Verteilungen)

  • Industrieanlagen und Maschinensteuerungen

  • Neue elektrische Anlagen oder Erweiterungen

Prüfungen nach VDE 0100-600 umfassen:

  • Sichtprüfung (z. B. Schutzmaßnahmen)

  • Messungen: Durchgängigkeit, Isolationswiderstand, Schleifenimpedanz, RCD-Auslösung

  • Erprobung: Funktion von Schaltern, Sicherungen, Schutzorganen

Ziel: Sicherstellen, dass eine neu errichtete Anlage technisch korrekt aufgebaut ist und gefahrlos betrieben werden kann.

3. Was regelt die VDE 0701/0702?

Die kombinierte Norm DIN VDE 0701-0702 betrifft die Wiederholungsprüfung elektrischer Geräte, die über einen Stecker mit dem Stromnetz verbunden sind – sogenannte ortsveränderliche Betriebsmittel.

Anwendungsfälle:

  • Alle elektrischen Geräte in Büro, Werkstatt oder Labor

  • Nach Reparatur oder Änderung (VDE 0701)

  • In regelmäßigen Abständen (VDE 0702)

Typische Prüfungen:

  • Sichtprüfung (mechanischer Zustand, Stecker, Gehäuse)

  • Messung: Schutzleiterwiderstand, Isolationswiderstand, Berührungsstrom

  • Funktionstest: Einschaltverhalten, Stromaufnahme

Ziel: Feststellen, ob das geprüfte Gerät weiterhin sicher verwendet werden darf.

4. Worin liegen die Hauptunterschiede?

MerkmalVDE 0100-600VDE 0701/0702
AnwendungsbereichOrtsfeste AnlagenOrtsveränderliche Geräte
Zeitpunkt der PrüfungVor ErstinbetriebnahmeNach Reparatur / regelmäßig
PrüfumfangInstallation, Verkabelung, AbsicherungEinzelgerät: Schutz, Isolation, Funktion
Ziel der PrüfungBetriebssicherheit der GesamtanlageGerätesicherheit im laufenden Betrieb
ZuständigkeitElektrofachkraftBefähigte Person mit Geräteschulung

5. Wie hängen beide Normen mit der DGUV V3 zusammen?

Die DGUV Vorschrift 3 verpflichtet Arbeitgeber zur regelmäßigen Prüfung elektrischer Anlagen und Betriebsmittel – allerdings ohne konkrete Angaben zum Wie.

Deshalb verweist die Praxis auf die VDE-Normen als technische Regeln:

Das bedeutet: Die DGUV V3 bestimmt die Pflicht – die VDE-Normen beschreiben das korrekte Vorgehen.

6. Fehler in der Praxis: Wenn Normen verwechselt werden

In der betrieblichen Praxis kommt es immer wieder zu Missverständnissen:

  • Geräte werden nach VDE 0100 geprüft, obwohl VDE 0701/0702 nötig wäre

  • Installationen werden ohne Erstprüfung in Betrieb genommen

  • Prüfprotokolle weisen falsche Normbezüge auf

Solche Fehler gefährden nicht nur die Sicherheit, sondern können im Schadensfall auch zu rechtlichen Problemen führen (z. B. Verlust des Versicherungsschutzes).

7. Wer darf welche Prüfung durchführen?

Die Qualifikation unterscheidet sich je nach Norm:

In jedem Fall müssen geeignetePrüfgeräte eingesetzt und Messwerte protokolliert werden.

8. Dokumentationspflichten

Beide Prüfarten müssen vollständig dokumentiert werden:

  • VDE 0100-600: Prüfbericht zur Erstprüfung (z. B. RCD-Auslösung, Isolationsmessung)

  • VDE 0701/702: Geräteliste, Einzelprotokolle, Prüfplaketten

Ohne Nachweis gilt die Prüfung als nicht erfolgt.

9. Welche Norm ist wann die richtige? – Praxisbeispiele

  • Neubau eines Bürogebäudes: VDE 0100-600 für die Erstprüfung der elektrischen Anlage

  • Kaffeemaschine im Aufenthaltsraum: VDE 0701/0702 zur Wiederholungsprüfung

  • Erweiterung eines Schaltschranks: VDE 0100-600 (ggf. zusätzlich 0105-100)

  • Laptop, Monitor, Drucker: VDE 0701/0702

  • Baustromverteiler nach Einsatz: Kombination aus 0100/0105 (Anlage) und 0702 (Geräte)

10. Fazit: Die richtige Norm zur richtigen Zeit

Die Anwendung der jeweils passenden VDE-Norm ist keine bürokratische Nebensache, sondern essenziell für die elektrische Sicherheit und die Rechtskonformität im Unternehmen.
Nur wer die Unterschiede kennt, kann Prüfprozesse korrekt umsetzen und dokumentieren.

VDE 0100 sichert die Anlage – VDE 0701/0702 schützt die Mitarbeitenden im Alltag.

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